Moinsen ..

Journalisten können beeinflussen ? WHOW, DAS ist ja ein Ding… Warum machen die das nur ? 😉 Und DAS ist den Wenigsten bekannt? UNGLAUBLICH … Aber Wahr, leider …  😯

 

Das Verhältnis zwischen Journalisten und ihren Quellen ist eine Symbiose, bestimmt vom Tauschgeschäft „Information gegen Publizität“: Der Journalist bekommt Informationen und verschafft im Gegenzug seiner Quelle (oder deren Anliegen) Öffentlichkeit. Doch dieses Tauschgeschäft muss erst einmal zustande kommen – und Entscheider aus Politik und Wirtschaft geben Hintergrundwissen, Exklusivinformationen oder Interviews am ehesten jenen Journalisten, mit denen sie auf einer Wellenlänge liegen und von denen sie keine ernsthafte Gefahr für die eigene Position befürchten müssen.

Wer vom Habitus her kompatibel mit den oberen Schichten ist, hat daher größere Chancen auf eine Karriere im Journalismus – vor allem in solchen Medien, die den Anspruch haben, das Geschehen im Entscheidermilieu aktuell und detailliert abzubilden, und daher auf Quellen in den höheren Etagen angewiesen sind. Prestige-Medien wie die „Süddeutsche Zeitung“, die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, „Die Welt“, „Der Spiegel“ und „Die Zeit“ verstehen sich auch als Plattformen des Elitendiskurses, als Orte, wo Politiker, Wirtschaftsführer oder Kulturschaffende mit Statements, Interviews oder Gastbeiträgen die öffentliche Debatte zu beeinflussen versuchen. Wer hier arbeitet, dem hilft Fundamentalopposition nicht weiter, für den ist eher ein funktionierendes, gut gepflegtes Netzwerk zu Akteuren und Insidern nützlich.

So stehen Journalisten der tonangebenden Medien in einem ständigen Spannungsfeld zwischen ihren Nutzern und ihren Quellen. Sie sollen Auge und Ohr des Publikums sein, dessen Fragen beantworten, die Mächtigen kritisieren und kontrollieren – gleichzeitig brauchen sie aber auch gute Kontakte in die höheren Kreise und das Wohlwollen hochrangiger Informanten. Die Interessen der Regierten zu vertreten und gleichzeitig nahe an die Regierenden heranzukommen, das ist ein klassischer Zielkonflikt. Beides kann nicht gleichzeitig maximiert werden.

Wenn aber für Nutzer sichtbar wird, dass Journalisten in elitären Zirkeln verkehren und praktisch Teil jener Schicht sind, die als die herrschende wahrgenommen wird, kann das massives Vertrauen kosten – zumal, wenn sie direkt in Ereignisse involviert sind, über die sie berichten.

Die Gauck-Rede und »Die Zeit«

Im Frühjahr 2014 eröffnete Bundespräsident Joachim Gauck die Münchner Sicherheitskonferenz mit der inzwischen fast schon legendären Rede „Deutschlands Rolle in der Welt: Anmerkungen zu Verantwortung, Normen und Bündnissen“. Die Bundesrepublik werde zwar „nie rein militärische Lösungen unterstützen“, dürfe aber zu Militäreinsätzen nicht „aus Prinzip ‚Nein’“ sagen. Denn „das ‚Konzept der Schutzverantwortung’ […] überträgt der internationalen Gemeinschaft den Schutz der Bevölkerung vor Massenverbrechen, wenn der eigene Staat diese Verantwortung nicht übernimmt“. Auf der Konferenz stießen auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Außenminister Frank-Walter Steinmeier in dasselbe Horn. Politische Eliten forderten hier konzertiert und wohlkalkuliert die öffentliche Meinung in Deutschland heraus, dessen Bevölkerung Militäreinsätze mehrheitlich ablehnt. Laut einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage vom Frühjahr 2014, durchgeführt von TNS Infratest im Auftrag der Körber-Stiftung, waren nur 37 Prozent der Ansicht, Deutschland sollte sich bei internationalen Krisen stärker engagieren, und nur 13 Prozent wollten mehr Militäreinsätze der Bundeswehr.

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Eine „ziemliche Sensation“ sei das gewesen, urteilte wenige Tage nach der Gauck-Rede die Wochenzeitung „Die Zeit“ und meinte anerkennend, Deutschland nehme endlich „Kurs auf die Welt“, nachdem in der „außenpolitischen Community Berlins […] die Unzufriedenheit mit der deutschen Lethargie schon seit Langem“ gegärt habe. Die drei Redner seien jedenfalls „entschlossen, Deutschland eine aktivere Rolle in der Weltpolitik zuzuweisen […]. Sie haben keine Furcht mehr, wenn von Deutschland Führung verlangt wird. Eher fürchten sie den Vorwurf der Passivität und der Drückebergerei.“ Die beiden Autoren, Jochen Bittner und Matthias Naß, rekonstruierten auch die Vorgeschichte der drei Reden und wiesen dabei dem Projekt „Neue Macht – neue Verantwortung“ eine Schlüsselrolle zu, das vom German Marshall Fund of the United States und der Stiftung Wissenschaft und Politik durchgeführt worden war: „Ein Jahr lang, von November 2012 bis Oktober 2013, trifft sich in Berlin eine Arbeitsgruppe, um über eine außenpolitische Strategie für Deutschland zu sprechen. Beamte aus dem Kanzleramt und dem Auswärtigen Amt diskutieren darin ebenso mit wie Vertreter von Denkfabriken, Völkerrechtsprofessoren, Journalisten sowie die führenden Außenpolitiker aller Bundestagsfraktionen.“

Nicht erwähnt wurde allerdings, dass einer der Autoren des Artikels, Jochen Bittner, an dem Projekt teilgenommen hatte und damit auch am Abschlusspapier „Neue Macht – neue Verantwortung“ beteiligt war, dessen Geist sich wenig später in der Gauck-Rede wiederfand. Nach Protesten von Nutzern machte die „Zeit“ das Engagement Bittners zwar transparent – aber der Rollenkonflikt bleibt: Wenn ein Journalist zusammen mit politischen Eliten an einem Konsenspapier gearbeitet hat, in dem unter anderem die „Flexibilisierung“ des Parlamentsvorbehalts für Bundeswehr-Auslandseinsätze gefordert wird oder auch ein militärisches Vorgehen gegen „Störer“ wie den Iran oder Venezuela, falls sie die „kritische Infrastruktur der Globalisierung“ bedrohen, sollte man dann noch über die Gauck-Rede schreiben oder Interviews mit Volker Rühe, Deutschlands oberstem Flexibilisierer des Parlamentsvorbehalts, führen?

Natürlich sei er involviert, antwortete Jochen Bittner auf eine kritische Nachfrage im sozialen Netzwerk Twitter, und zwar „in den Meinungsbildungsprozess in diesem Lande“. So mag das von innen betrachtet aussehen. Von außen sieht dieser Meinungsbildungsprozess jedoch eher wie eine geschickt inszenierte Lobbykampagne aus, um das Meinungsklima in der Bevölkerung zu drehen. Schließlich wurde das Projekt „Neue Macht – neue Verantwortung“ direkt aus Washington bestellt, vom Chef des German Marshall Fund. Das war damals Thomas Kleine-Brockhoff, der vor seiner Tätigkeit beim German Marshall Fund als Washington-Korrespondent der „Zeit“ gearbeitet hatte und kurz danach Planungschef des Bundespräsidenten wurde; über seinen Schreibtisch ging auch die Rede von Gauck. Und besagter Kleine-Brockhoff suchte zusammen mit der regierungsnahen Stiftung Wissenschaft und Politik die passenden Teilnehmer, „strategische Partner“ (O-Ton der Berliner Bürochefin des German Marshall Fund) aus – Akteure aus der Friedensbewegung oder militärkritische Publizisten waren jedenfalls nicht eingeladen. Der einzige Journalist neben Jochen Bittner kam von der konservativen „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) und war lange Jahre Nato- und EU-Korrespondent in Brüssel, bevor er 2014 zum stellvertretenden Außenpolitik-Ressortleiter aufstieg: Nikolas Busse.

Den Vereinigten Staaten treu ergeben

Nikolas Busse? Den Namen hat man schon auf anderen Listen in illustrer Gesellschaft gesehen. 2003, im Angesicht des heraufziehenden Irakkrieges und des damit verbundenen Zerwürfnisses zwischen der Schröder-Regierung und der Bush-Administration, unterzeichnete er mit vielen anderen Mitgliedern und Freunden des Vereins „Atlantik-Brücke“ eine Zeitungsanzeige, in der es hieß: „Heute, da die Welt sich gegen Terrorismus und die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen wehren muss, bekräftigen wir die Verbundenheit mit den Vereinigten Staaten.“ Zwei Jahre zuvor hatte er bereits seine Verbundenheit zum damaligen Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping gezeigt, als der wegen des Einsatzes von Uranmunition auf dem Balkan ins Kreuzfeuer der Kritik geriet. Die Öffentlichkeit debattierte im Januar 2001 erregt über den Einsatz der schwach radioaktiven Munition, die mit Leichtigkeit Panzerhüllen und Gebäude durchschlägt, dabei aber auch das Kriegsgebiet kontaminiert. Unter diesem Druck ließ Scharping einen Arbeitsstab zusammenstellen, der die Gefährdungslage untersuchen sollte. Der Stab, dem neben FAZ-Redakteur Busse eine Reihe Militärs und auch ein Vertreter der regierungsnahen Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik angehörten, sichtete Literatur und interviewte Experten; im Juni 2001 gab er Entwarnung und entlastete mit seinem Bericht den Minister. Ihre eigenen Soldaten in Afghanistan warnte die Bundeswehr später weiterhin in einem internen Handbuch vor der Gefahr durch Uranstaub, doch der Leiter des Arbeitsstabs bekam ein Jahr später das Ehrenkreuz der Bundeswehr in Gold, das sonst nur Soldaten als Zeichen der besonderen Anerkennung treuer Pflichterfüllung verliehen wird.[ Dieser Leiter war Theo Sommer, Editor-at-Large der „Zeit“ und deren langjähriger Chefredakteur und Herausgeber.

Theo Sommer? Wer seine private Website besucht, findet dort eine beeindruckende Liste von Tätigkeiten, die er während seiner Zeit als Chefredakteur ausgeübt hat. Er saß etwa im Beirat der Bertelsmann-Stiftung, des Militärgeschichtlichen Forschungsamts der Bundeswehr und des German Marshall Fund of the United States. Besonders eng in Kontakt war er mit Spitzenpolitikern, Konzernchefs, Bankern und Militärs durch seine Tätigkeit bei der Bilderberg-Konferenz. Dieses jährliche Treffen in wechselnden Fünfsternehotels dient vor allem der Pflege der transatlantischen Beziehungen und der vertraulichen Diskussion aktueller weltpolitischer Probleme. In manchen Dingen will man zu einem Konsens kommen, bevor man sich in der Öffentlichkeit gegenseitig zerfleischt. Dieser Konsensfindung wohnen stets auch einige ausgewählte Alpha-Journalisten bei. „Ich darf zwar nicht berichten über die Tagung, habe aber als Journalist durchaus meinen Nutzen davon“, erzählte Theo Sommer in einem Interview. „In diesen zwei, drei Tagen habe ich doch so viel gehört, was ich als Leitartikler in den nächsten sechs Monaten irgendwo unterbringen kann.“ Und: „Das ist Networking auf sehr hohem Niveau.“ Theo Sommer war nicht nur regelmäßiger Teilnehmer der Bilderberg-Konferenzen, er saß von 1975 bis 1989 auch zusammen mit dem Deutsche-Bank-Vorstand Alfred Herrhausen im Lenkungsausschuss der Treffen und bestimmte die Themen sowie die Teilnehmer mit. So holte er zum Beispiel Helmut Kohl dazu, noch ehe der Kanzler wurde. Denn: „Man hat immer versucht, die kommenden Leute mit heranzuziehen. […] Damit sie Kontakt mit ihresgleichen finden konnten.“ Sein Sitz im Lenkungsausschuss (wo sich übrigens erstaunlich viele Chefs westlicher Industriekonzerne, Banken und Finanzgruppen finden) vererbte sich dann innerhalb der „Zeit“-Redaktion, zuletzt an den Vize-Chefredakteur Matthias Naß, der ihn 2012 aufgab, als er die Chefredaktion verließ. „Man lernt sehr viel und schärft sein Urteil“, erklärte Naß auf Nachfrage zu seiner Tätigkeit bei Bilderberg, „das ist wie ein Intensivkurs in internationaler Politik.“

Die Bilderberg-Konferenz war 1954 gegründet worden als ein vertrauliches Forum für Eliten aus Westeuropa und Nordamerika, den beiden Weltregionen, die damals den unangefochtenen Kern des kapitalistischen Weltsystems darstellten. Mit dem wirtschaftlichen Aufstieg Japans schien es zu Beginn der 1970er Jahre dem US-Bankier David Rockefeller angebracht, den Kreis der Beratungen um Vertreter aus Ostasien zu erweitern. Als Ableger von Bilderberg wurde daher 1973 die Trilaterale Kommission gegründet, ebenfalls ein privater, elitärer Zirkel für Außenpolitik, ebenfalls mit Theo Sommer als Mitglied.

Lobbyarbeit »aus staatsbürgerlicher Pflicht«

Später, im neuen Jahrtausend, kam als prominenter Vertreter des deutschen Prestige-Journalismus der Außenpolitik-Ressortleiter der FAZ dazu, Klaus-Dieter Frankenberger, der seine Mitgliedschaft 2015 beendete. Gute Kontakte zu Eliten konnte und kann Frankenberger auch in anderen Funktionen pflegen: als Direktoriumsmitglied des Instituts für Europäische Politik, das die europäische Integration voranbringen will, als Beirat des Vereins Atlantische Initiative, der die Verständigung zwischen Deutschland und den USA fördert, und als Beirat der Bundesakademie für Sicherheitspolitik. Dieser Think Tank des Bundesverteidigungsministeriums „vermittelt das Konzept der umfassenden Sicherheit an ausgewählte Führungskräfte […] und bündelt die sicherheitspolitische Expertise Deutschlands“. Er untersteht dem Bundessicherheitsrat, der aus der Bundeskanzlerin und den wichtigsten Bundesministern besteht, und laut Satzung der Akademie soll der Beirat diesen Bundessicherheitsrat beraten – rein formal hat Frankenberger also den Auftrag übernommen, die Bundesregierung zu beraten, die er ja eigentlich auch kritisieren und kontrollieren soll. Mit der journalistischen Berufsrolle scheint diese Nebentätigkeit nur schwer vereinbar.

Und er ist nicht allein. Auch Peter Frey, heute ZDF-Chefredakteur, saß während seiner Zeit als Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios in diesem Beirat, ebenso wie Stefan Kornelius, der das Ressort Außenpolitik bei der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) leitet. Im NDR-Medienmagazin „Zapp“ erklärte Kornelius: „Klar, man kann sagen: Das ist eine zu starke Verquickung mit dem Staat. Ich mache das mehr aus einer staatsbürgerlichen Pflicht heraus.“ Dazu stehe er – zumal sich der Beirat nur einmal im Jahr für zwei Stunden treffe und keine Mitglieder der Bundesregierung unmittelbar berate. Für die deutsche Sicherheitspolitik hatte sich Kornelius vor einigen Jahren in noch höherer Funktion engagiert, nämlich im Präsidium der Deutschen Atlantischen Gesellschaft.

Dieser gemeinnützige Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, „das Verständnis für die Ziele des Atlantischen Bündnisses zu vertiefen und über die Politik der Nato zu informieren“, man könnte auch sagen: Lobbyarbeit für das stärkste Militärbündnis der Welt zu machen. Aktuell, so gab Kornelius 2014 zu Protokoll, sei er Mitglied in zwei Organisationen: im relativ jungen Deutsch-Russischen Forum und in der traditionsreicheren Atlantik-Brücke. Dieser 500 Mitglieder starke elitäre Verein zielt nach eigener Aussage auf „deutsche und amerikanische Entscheidungsträger aus Wirtschaft, Politik, den Streitkräften, der Wissenschaft, den Medien und der Kultur, die bei der Atlantik-Brücke einen Rahmen für vertrauliche Gespräche finden, aber auch Nachwuchsführungskräfte, die auf den ‚Young Leaders’-Konferenzen Netzwerke schmieden und den transatlantischen Dialog in der kommenden Generation lebendig halten.“ Kornelius sagt dazu: „Diese Mitgliedschaft wird von der Zeitung auch bezahlt, das heißt, es ist Teil meines Geschäfts. […] Ich würde da keine Führungsfunktionen übernehmen.“

Von Kai Diekmann bis Josef Joffe: Immer im Dienst des westlichen Bündnisses

Das sieht einer der mächtigsten deutschen Journalisten anders: Kai Diekmann, Gesamtherausgeber der Bild-Gruppe und von 2001 bis 2015 Chefredakteur der „Bild“-Zeitung. Er arbeitet seit vielen Jahren im Vorstand der Atlantik-Brücke an der deutsch-amerikanischen Freundschaft, Seit’ an Seit’ mit Parlamentariern, Bankern und Industrievertretern. Er bewarb in der „Bild“ auch schon mal Manifeste seines Vereins, ohne seine Mitwirkung daran zu erwähnen, so geschehen bei der „Erklärung von Mumbai“ im Februar 2009. Dass Diekmann mit diesem Engagement in Konflikt mit seinem Arbeitgeber kommen könnte, ist eher unwahrscheinlich, denn der Axel Springer Verlag verpflichtet in seinen Unternehmensgrundsätzen ohnehin jeden Mitarbeiter auf „die Unterstützung des transatlantischen Bündnisses und die Solidarität in der freiheitlichen Wertegemeinschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika“. Dass dies auch umgesetzt wird, kann man etwa daran ablesen, dass das Aspen Institute Germany den Vorstandsvorsitzenden von Springer, Mathias Döpfner, im Oktober 2014 mit dem „Shepard Stone Award for Outstanding Transatlantic Leadership“ ausgezeichnet hat – wobei ein ehemaliger US-Botschafter ihn in der Laudatio als „persönlichen Helden“ bezeichnete. Noch kurz zuvor war Döpfner selbst im deutschen Ableger der US-Denkfabrik engagiert, er saß dort im Kuratorium – genauso wie Claus Kleber, Moderator des „heute-journal“ im ZDF (den man auch zusammen mit etlichen Wirtschaftsgrößen im Kuratorium der Stiftung Atlantik-Brücke findet), und Josef Joffe.

Josef Joffe? Der Mitherausgeber der „Zeit“ gehört zu den Spitzenreitern, was Verbindungen zu elitären Vereinigungen angeht. In einer Netzwerkanalyse des Autors wurde bei Joffe eine Nähe zu 19 Organisationen festgestellt, in denen auch politische oder wirtschaftliche Entscheider verkehrten: darunter die Trilaterale Kommission, die Atlantik-Brücke, das American Institute for Contemporary German Studies, der American Council on Germany und die American Academy in Berlin. Seit vielen Jahren wird er auch jedes Jahr zur Münchner Sicherheitskonferenz eingeladen und ist dort neben all den Ministern, Parlamentariern, Diplomaten, Militärs und Wirtschaftsvertretern gleichberechtigter Teilnehmer mit Rederecht im Plenum und mit Zugang zu den Empfängen am Rande – ein Privileg, das er übrigens mit anderen, teilweise bereits genannten Alpha-Journalisten von SZ, FAZ, „Welt“, „Stern“, ZDF oder Bayerischem Rundfunk teilt.

Von »Bild« bis FAZ: Meinungshomogenität statt Meinungsvielfalt

Alle gekauft und manipuliert? Alle nicht mehr unabhängig, nicht mehr glaubwürdig? Da man in Köpfe nicht hineinschauen kann, ist es schwierig zu beurteilen, ob sich jemand eine Meinung durch eigenständiges Räsonnement gebildet oder sie sich hat einflüstern lassen. Als eine Kabarettnummer in der ZDF-Satiresendung „Die Anstalt“ vom April 2014 diese transatlantischen Netzwerke einem breiten Publikum bekannt machte und die Vertrauenskrise der Medien damit erheblich befeuerte, reagierten die angegriffenen Journalisten empfindlich – zwei „Zeit“-Redakteure klagten sogar gegen das ZDF. Josef Joffe war empört und schrieb an den ZDF-Chefredakteur einen geharnischten Brief: „Ich glaube, für alle ‚Ko-Konspiratoren‘ zu sprechen, wenn ich mit dem gebotenen Hohn zurückweise, wir dächten und schrieben alle irgendwie gleich.

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Doch die Meinungen ähneln sich tatsächlich. So hat der Autor dieses Buches die Kommentare von vier im transatlantischen Elitenmilieu vernetzten Journalisten untersucht – die von Stefan Kornelius („Süddeutsche Zeitung“), Klaus-Dieter Frankenberger (FAZ), Josef Joffe („Die Zeit“) und Michael Stürmer (Chefkorrespondent der „Welt“) aus den Jahren 2002 bis 2010 – und frappierende Parallelen festgestellt. Alle vier verwendeten und bewarben den „erweiterten Sicherheitsbegriff“, der sich deutlich vom klassischen Sicherheitsbegriff aus der Zeit des Kalten Krieges unterscheidet – damals sollten nur Angriffe auf das eigene Territorium abgewehrt werden, heute sollen auch unser Wohlstand, unsere Versorgung mit Rohstoffen und Energie und unsere kommunikationstechnische Infrastruktur geschützt werden, und zwar vor weltweiten Bedrohungen. „Die Finanzkrise und die Energiedebatte haben gezeigt, dass Sicherheit eigentlich ein breiter Begriff ist“, schrieb etwa Kornelius in der „Süddeutschen“, und Frankenberger erklärte in der FAZ: „Und nach den neuen verteidigungspolitischen Richtlinien wird die Sicherheit Deutschlands auch am Hindukusch verteidigt, der traditionelle geographische Sicherheitsbegriff also globalisiert und ausgeweitet. Dass die traditionellen Beschränkungen aufgegeben wurden, ist richtig; sie waren obsolet geworden, weil die Umstände sich fundamental geändert haben.“ Josef Joffe erläuterte in der „Zeit“: „War of choice lautet der englische Begriff, wenn ein Staat seine Soldaten einsetzt, ohne dass eine unmittelbare Gefahr droht. Das tut er dann im Namen eines ‚erweiterten Sicherheitsbegriffes’, der einst Raub und Expansion begünstigte, aber heute, zumal im deutschen Kontext, nicht als zynische Maskerade verhöhnt werden sollte.“ „Sicherheit reicht mittlerweile geographisch bis zum Hindukusch und wirtschaftlich bis zu den Ursachen des Terrorismus“, erfuhren auch die „Welt“-Leser durch Michael Stürmer.

Alle vier Journalisten erwähnten einen Katalog von Bedrohungen, wie er ähnlich in den offiziellen Dokumenten von Bundesregierung, EU, Nato und USA vorkommt. Kornelius: „Die letzten Jahre haben das Bedrohungsspektrum dramatisch erweitert, mit dem dschihadistischen Terrorismus und all seinen Spielarten an der Spitze der Liste, gefolgt von anderen religiös motivierten Bedrohungen, aber auch von den Ängsten, die der Klimawandel, die Energieversorgung oder selbst Flüchtlingsströme auslösen.“ Frankenberger: „Diese Gefahren und Herausforderungen reichen vom Terrorismus über die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen über Energie und Klimawandel bis zu Cyberangriffen, wirtschaftlicher Instabilität und Pandemien. Tatsächlich ist diese Liste noch länger.“ Joffe: „Von den ‚globalen Herausforderungen’ gibt es, weiß Gott, genug: vom Klima bis zur Armut, vom Terrorismus bis zur Atomrüstung jener, die sich nicht durch besondere Verantwortung auszeichnen.“ Stürmer: „Vergebens sucht man das globale Konzept, das auch Interessen Russlands einbeziehen müsste und die gemeinsame Bedrohung durch Terror und Massenvernichtungswaffen, Cyberwar und organisiertes Verbrechen, Klimawandel und Völkerwanderungen.“

Einig sind sich alle vier auch, dass Deutschland das Bündnis mit den USA pflegen muss, um den Bedrohungen angemessen begegnen zu können. Kornelius: „Wer nach der Alternative zur Nato Ausschau hält, der wird schnell enttäuscht werden: Es gibt keine bessere.“ Frankenberger: „Als atlantische Gemeinschaft lassen sich die Turbulenzen der neuen multipolaren Welt allemal besser aushalten. Nur in dieser Kombination können die vielfältigen Herausforderungen gemeistert werden.“ Joffe: „Nato ist wie Rentensystem und Kanalisation: nicht gerade unterhaltsam, aber sehr wichtig; wie sehr, würden wir erst merken, wenn sie aus unserem Leben verschwänden. […] Tante Nato ist nicht sexy, aber nützlich.“ Stürmer: „Deutschlands Sicherheit bleibt eine Ableitung aus der europäischen Architektur, diese eine Ableitung aus der amerikanischen ‚Grand Strategy’. In den Verteidigungsministerien und den großen Stäben weiß man genau, dass ohne amerikanische Informationstechnologie, Transportkapazitäten und Machtprojektion die Europäer, wenn es ernst wird, verloren sind.“

Für den Meinungskampf an der Heimatfront

Angesichts der Tatsache, dass die Deutschen mehrheitlich skeptisch gegenüber Nato-Militäreinsätzen, insbesondere dem in Afghanistan, eingestellt sind, forderten alle vier die deutsche Politik zu verstärkter Überzeugungsarbeit und mehr Führung auf. Kornelius: „Dringend notwendig wäre es, dass die Politik die öffentliche Debatte suchte. Die Deutschen verstehen nicht, warum ihre Bundeswehr in Afghanistan im Einsatz ist. Ein erschreckend hoher Anteil der politikmündigen Bürger glaubt, dass hier ein Vasallen-Krieg der USA geführt werden müsse. […] Deutschland ist Konsensland, der Bundestag entscheidet über den Einsatz der Soldaten. Aber niemand zwingt die politische Führung, in einer zentralen außenpolitischen Frage genau dies zu zeigen: zu wenig Führung.“ Frankenberger: „Den Meinungskampf an der Heimatfront darf die Politik nicht scheuen, wenn sie von dem überzeugt ist, was sie vorgibt. […] Der Kampf um die ‚hearts and minds‘ muss auch bei uns geführt werden.“ Joffe: „Alle Politik muss den Wählerwillen respektieren. Aber das Grundgesetz verbietet es den Regierenden nicht, für das außenpolitisch Gebotene zu werben.“ Und Stürmer: „Wer Soldaten in Todesgefahr schickt, muss die militärischen Mittel den politischen Zielen zuordnen. Führen heißt auch erklären, begründen und, nicht zuletzt, begrenzen. Die Kanzlerin ist gefordert.“
Das Bild, das die vier von Konflikten und Bedrohungen zeichneten, war ebenso eindimensional wie das in den amtlichen Dokumenten und Doktrinen: Der eigene Beitrag des Westens zu Krisen und Konflikten wurde nicht reflektiert; Bedrohungen wurden plastisch ausgemalt, ihre sozialen und politischen Ursachen aber kaum analysiert. Offensichtlich bewegten sich die Journalisten weitgehend innerhalb der Grenzen des außen- und sicherheitspolitischen Elitendiskurses, der von westlichen Regierungen, transatlantischen Denkfabriken und elitären Netzwerken geführt und mitgestaltet wird; eine Meinungsspanne, die alternative Denkansätze etwa aus der Friedensforschung und der zivilen Konfliktbearbeitung nicht umschließt. Wenn die Journalisten die Bundesregierung kritisierten, dann aus der Perspektive von USA und Nato, aber nicht aus der einer militärskeptischen Bevölkerung.

»Ein merkwürdiger amerikanischer Akzent«

Selbst in Joffes eigener Redaktion argwöhnt man inzwischen, dass die Einbindung in transatlantische Denkfabriken Wirkungen auf die Köpfe gezeitigt hat. Bernd Ulrich, stellvertretender Chefredakteur und Politik-Ressortleiter der „Zeit“, schrieb in einer 2015 veröffentlichten Streitschrift, dass dort zwar nicht „amerikanische Agenten Parolen ausgeben, die von deutschen Journalisten hernach unverzüglich und unverfälscht in die Zeitungen gebracht werden. Es wird dort sogar kontrovers diskutiert. Allerdings entsteht dabei eine eng umgrenzte Zone des Denkbaren und des Abwegigen, es werden Logiken und Sichtweisen geteilt, über die man sich so einig ist, dass sie gar nicht als Sichtweisen erscheinen, sondern als schiere Selbstverständlichkeit.“ Durch diese Einbettung der Journalisten, schreibt Ulrich, habe „die außenpolitische Debatte hierzulande zuweilen einen merkwürdigen amerikanischen Akzent“.

Festzuhalten bleibt: Diese amerikanische Perspektive ist legitim, sie ist eine von vielen möglichen Sichtweisen auf die Welt. Vielleicht sind die Verbindungen der Journalisten zu den Denkfabriken, Elitenkonferenzen, Vereinen und Lobbyorganisationen auch deshalb erst entstanden, weil schon vorher eine geistige Nähe und gemeinsame Wertvorstellungen vorhanden waren – Gleich und Gleich gesellt sich eben gern, oder, wie Soziologen dieses „Homophilie-Phänomen“ beschreiben: Kontakt zwischen einander ähnlichen Personen kommt häufiger vor als zwischen einander unähnlichen. SZ-Ressortleiter Kornelius und ZDF-Anchorman Claus Kleber waren jahrelang Washington-Korrespondenten, „Zeit“-Mitherausgeber Joffe hat in Amerika studiert, promoviert und gelehrt. FAZ-Außenpolitikchef Frankenberger hat in jungen Jahren Amerikanistik studiert und bei einem Abgeordneten im US-Repräsentantenhaus gearbeitet; er „war schon immer ein überzeugter Atlantiker, (…) nicht erst seit oder gar weil er Mitglied der Trilateralen Kommission ist“, wie es FAZ-Herausgeber Günther Nonnenmacher in einem Interview ausdrückte.

Nonnenmacher selbst übrigens hat lange im Gesamtpräsidium der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik gesessen, also auch eine aktive Funktion in diesem außenpolitischen Thinktank ausgeübt, und sagt dazu: „Ich habe meine Mitgliedschaft dort als Vertreter der FAZ immer auch als staatsbürgerliche Aufgabe empfunden zur Aufklärung der Öffentlichkeit. Viele wichtige Informationen für eine umfassende Beurteilung erhalten Sie eben nur von den unmittelbaren Akteuren, die man in Organisationen wie der DGAP trifft.“

Die Identifikationsflächen fehlen

So ist denn das eigentliche Problem dieser Netzwerke im transatlantischen Elitenmilieu gar nicht einmal die mögliche Korrumpierung und geistige Vereinnahmung von Journalisten – auch wenn dieser Eindruck im Publikum freilich entstehen und Vertrauen vernichten kann. Tatsächlich ist es ein anderes. Wenn an den entscheidenden Stellen in deutschen Redaktionen Transatlantiker sitzen, aber große Teile des Publikums Amerika- und Nato-kritisch eingestellt sind, dann fehlen im Mainstream möglicherweise die publizistischen Vertreter, die auf hohem Niveau alternative Perspektiven artikulieren und Identifikationsflächen bieten können.

Man bedenke, dass in Bezug auf den Afghanistaneinsatz laut Infratest-dimap-Umfragen für das ARD-Hauptstadtstudio allein im Zeitraum September 2009 bis April 2010 zwischen 57 und 71 Prozent der Deutschen einen möglichst schnellen Rückzug der Bundeswehr befürworteten – konträr zum Diskurs von Verantwortung und Bündnistreue, der in Politik und Medien geführt wurde. Man bedenke, dass laut einer Umfrage von TNS Infratest im Auftrag der Körber-Stiftung das wichtigste Ziel deutscher Außenpolitik für 51 Prozent aller Deutschen „der Frieden in der Welt“ ist und nur für 23 Prozent „die Sicherheit Deutschlands“ – konträr zum offiziellen Sicherheitsdiskurs, in dem die Friedensnorm des Grundgesetzes schon lange keine Rolle mehr spielt. Auf die Frage, mit welchen Ländern Deutschland künftig mehr zusammenarbeiten sollte, landeten die USA nur auf Platz 5, hinter Frankreich, Polen, Großbritannien und sogar China – und nur knapp vor Südafrika und Russland. Man bedenke auch, dass während der Krimkrise 2014 nur 45 Prozent der Deutschen ihr Land „fest im westlichen Bündnis“ verankert sehen wollten, dagegen 49 Prozent eine „mittlere Position zwischen Westen und Russland“ wünschten, laut einer Umfrage von Infratest dimap für die ARD-„Tagesthemen“ und die „Welt“ – konträr zu dem Anti-Putin-Gleichklang in Politik und Medien, der in der Ukrainefrage zu vernehmen war.

Man bedenke zudem, dass sich laut einer Umfrage des German Marshall Fund vom Juni 2014 ganze 57 Prozent der Deutschen wünschten, dass ihr Land künftig unabhängiger von den USA agiert. Und falls es zu einem militärischen Konflikt zwischen Russland und einem seiner Nachbarstaaten käme, der ein Mitglied der Nato ist (sprich: mit einer ehemaligen Sowjetrepublik), dann würden laut einer Umfrage des US-Forschungsinstituts Pew von 2015 nur 38 Prozent aller Deutschen dieses alliierte Land militärisch verteidigen wollen. Das war der geringste Wert in acht befragten Nato-Staaten. Der Kern der Vertrauenskrise – zumindest in diesen Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik – ist die Kluft zwischen öffentlicher und veröffentlichter Meinung. Das Problem, das die Nutzer mit ihren Journalisten haben, ist vor allem ein Repräsentationsproblem.

Doppelte Standards und Bündnisrücksichten

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem berühmten „Spiegel“-Urteil von 1966 Folgendes zur Aufgabe der Medien gesagt: „In der repräsentativen Demokratie steht die Presse […] als ständiges Verbindungs- und Kontrollorgan zwischen dem Volk und seinen gewählten Vertretern in Parlament und Regierung. Sie fasst die in der Gesellschaft und ihren Gruppen unaufhörlich sich neu bildenden Meinungen und Forderungen kritisch zusammen, stellt sie zur Erörterung und trägt sie an die politisch handelnden Staatsorgane heran, die auf diese Weise ihre Entscheidungen auch in Einzelfragen der Tagespolitik ständig am Maßstab der im Volk tatsächlich vertretenen Auffassungen messen können.“

Heute dagegen überwiegt bei vielen Mediennutzern das Gefühl, dass Medien nicht nur sehr aufgeregt, sondern häufig einseitig berichten – zuweilen offenbar aus erzieherischem Impetus heraus, um die Nutzer vor Verwirrung über die „richtige“ Interpretation der Ereignisse zu schützen oder um zu verhindern, dass unerwünschte, aber weit verbreitete Einstellungen in der Bevölkerung (Russlandfreundlichkeit, Antiamerikanismus, Euroskepsis, Ausländer- und Islamfeindlichkeit) öffentlich sichtbar und politisch wirksam werden. In der außenpolitischen Berichterstattung sind jedenfalls doppelte Standards nicht zu übersehen.

Die völkerrechtswidrige, aber unblutige Annexion der Krim durch Russland erregte die Medienmacher um ein Vielfaches mehr als ebenfalls völkerrechtswidrige, aber blutige Angriffskriege und Drohneneinsätze unserer Verbündeten. Wird in Moskau der oppositionelle Politiker Boris Nemzow auf offener Straße von Unbekannten erschossen, ist das tagelang Top-Thema in den deutschen Medien, und in der „Tagesschau“ heißt es, die Schuldigen säßen im Kreml. Wird wenig später in Kiew auf offener Straße der oppositionelle Journalist und Euromaidan-Gegner Oles Busyna erschossen, ist das vielen Medien nicht einmal eine Meldung wert – obwohl das Ereignis Teil einer ganzen Serie von Morden an prorussischen Publizisten und Politikern kurz nach dem Machtwechsel in der Ukraine war. Gängelt Putin die russischen Nichtregierungsorganisationen mit ausländischer Finanzierung oder Kreml-kritische Medien, empören sich unsere Journalisten – verbietet die vom Westen unterstützte Regierung in Kiew die größte linke Oppositionspartei im Land (die Kommunistische Partei der Ukraine) oder säubert sie die ukrainische Medienlandschaft von angeblich „separatistischen“ Publikationen, herrscht Schweigen.

Wird die Passagiermaschine MH-17 über der von Separatisten kontrollierten Ostukraine abgeschossen, lasten die großen Zeitungen sofort – noch bevor es belastbare Fakten gibt – Putin persönlich die Schuld dafür an. Bombardieren US-Kampfpiloten das Krankenhaus der „Ärzte ohne Grenzen“ im afghanischen Kundus, ist das ein tragischer Fehler, der auf unteren Ebenen angesiedelt ist, erst einmal sorgfältig untersucht werden muss – und für den der Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte, Präsident Barack Obama, offenbar keine Verantwortung trägt.

So mancher fühlt sich da an die Prinzipien der Kriegspropaganda erinnert, die der britische Politiker und Schriftsteller Lord Arthur Ponsonby während des Ersten Weltkriegs erkannte: „Der Gegner begeht mit Absicht Grausamkeiten, bei uns handelt es sich um Versehen“, lautet eines, und andere sind: „Wir wollen keinen Krieg“, „Der Gegner ist allein für den Krieg verantwortlich“, „Wir verteidigen ein edles Ziel, keine persönlichen Interessen“ und „Der Führer des feindlichen Lagers ist ein Teufel“.

Menschenrechtsverletzungen sind nicht gleich Menschenrechtsverletzungen

Menschenrechtsverletzungen sind also nicht gleich Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen nicht gleich Kriegsverbrechen – ihre Schwere und Skandalträchtigkeit hängt davon ab, wer sie begeht. Finden sie etwa in den Golfmonarchien statt, die eine wichtige Stütze der westlichen Nahost- und Energiepolitik sind, wird das zwar berichtet, allerdings ohne wiederholt die Notwendigkeit zu betonen, diese Regime müssten abdanken. Handelt es sich hingegen um traditionell amerikakritische Regime, sieht das ganz anders aus: Über ihre tatsächlichen oder vermeintlichen Schandtaten wird extensiv berichtet und ein militärisches Eingreifen des Westens – „humanitäre Interventionen“ – herbeigeschrieben und im Erfolgsfall bejubelt. So sollte der Nato-Feldzug gegen den libyschen Diktator Muammar al-Gaddafi im Jahre 2011 erklärtermaßen ein bevorstehendes Massaker verhindern, das Gaddafi angeblich geplant hatte. Sein Sturz wurde allseits begrüßt, obwohl das Land anschließend zerfiel und mittlerweile zu einem Standbein des IS geworden ist. Was jedoch nicht berichtete wurde, ist die Tatsache, dass sich das Nato-Bombardement ausdrücklich gegen die zivile Infrastruktur Libyens richtete und nach konservativen Schätzungen 32 000 Zivilisten das Leben kostete.

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In der Syrien-Berichterstattung wurde zum immer wiederkehrenden Leitmotiv, dass Präsident Baschar al-Assad Fassbomben gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt hat – um zu unterstreichen, dass er als Staatschef inakzeptabel ist. Zur selben Zeit wurde der brutale Krieg Saudi-Arabiens gegen die Huthi-Rebellen im Jemen medial kaum beachtet, der tausende Zivilisten das Leben kostete und Millionen in Hungersnot stürzte. Saudische Panzer waren es auch, die 2011 in Bahrain die Proteste gegen den despotischen Herrscher niederwalzten – zur selben Zeit, als in Libyen und Syrien der Aufstand ausbrach. Auch in Saudi-Arabien selbst gab es Proteste gegen das Regime, die in den Medien fast gänzlich ausgeblendet wurden. Die Gründe, hier mit zweierlei Maß zu messen, sind offensichtlich: Saudi-Arabien und Bahrein sind treue Vasallen Amerikas, während Syrien und Libyen immer wieder eigenwillig agierten.

Es gebe „Bündnisrücksichten“, die sich im Grad der redaktionellen Unabhängigkeit der Sender widerspiegelten – mit dieser Begründung beendete der renommierte Nahost-Korrespondent Ulrich Tilgner im Jahr 2008 seine Zusammenarbeit mit dem ZDF. Tilgner ging zum Schweizer Fernsehen.

Genau solche „Bündnisrücksichten“ sind es auch, die Mediennutzer heute immer mehr zu alternativen Nachrichtenportalen wechseln lassen. Und solange „Mainstream-Medien“ die PR-Erzählungen der eigenen Regierung und ihrer Verbündeten medial verstärken, anstatt sie zu demaskieren und deren blinde Flecken auszuleuchten, so lange werden die Zweifel an ihrer Objektivität nicht verschwinden.

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